Prototyp | Dutch Resistance: Orange Shall Overcome!

Verfasst von Jesper Tessin am 03. Januar 2023. Veröffentlicht in Brettspieltest

Wir schreiben das Jahr 1943. Die Nazis kontrollieren seit drei Jahren die Niederlande. Viele Bürger und Bürgerinnen haben sich der NSB angeschlossen, welche mittlerweile die einzige zugelassene Partei der Niederlande darstellt.

Als ob das nicht schon schlimm genug wäre, patrouilliert die Wehrmacht auf den Straßen und kontrolliert die Häuser nach angeblichen Volksverrätern. Einige werden zwangsrekrutiert, andere nie wiedergesehen.

Doch es gibt noch Hoffnung, denn inmitten dieser Schreckensherrschaft entbrennt das Feuer des Widerstandes. Seid achtsam und lasst euch nicht von den Invasoren erwischen. Vielleicht gelingt es euch sogar, die Unterdrückung durch den Nationalsozialismus in „Orange Shall Overcome“ zu beenden. 

Darum geht es in dem Spiel

 „Orange Shall Overcome“ ist ein kooperatives Ressourcenmanagement-Spiel aus der Feder von Marcel Köhler. Es ist für ein bis fünf Personen ausgelegt. Das Spiel ist ab 10 Jahren geeignet und eine Partie dauert laut dem Entwicklerteam durchschnittlich 45-90 Minuten.

„Orange Shall Overcome“ wurde letztes Jahr erfolgreich auf Kickstarter finanziert, einer Plattform, auf der Projekte durch Crowdfunding unterstützt werden. Unter dem Artikel befindet sich der Link zum Late Pledge. Dieser bietet die Möglichkeit, das Spiel nach Abschluss der Kampagne zu den Kickstarterkonditionen vorzubestellen.

 In „Orange Shall Overcome“ schlüpfen die Spieler und Spielerinnen in die Rolle von niederländischen Widerstandskämpfern und -kämpferinnen zur Zeit des Nationalsozialismus. Es ist ein Szenario basiertes Spiel, in dem jedes Szenario die Siegbedingungen wie auch die Bedingungen für das Scheitern beschreibt.

Das Spiel endete ebenfalls, sobald die Moral oder das Alibi einer Person auf null fällt.

Ter ere van de verzetsstrijders

In „Orange Shall Overcome“ finden abwechselnd Tag- und Nachtphasen statt. In jeder Phase werden unterschiedliche Effekte abgehandelt.

Tagphase

Jede Person erhält eine Besatzungskarte. Sollte der Vorrat an Besatzungskarten erschöpft sein, verlieren alle. Es werden jeweils drei Charakterkarten auf die Hand genommen. Je nach derzeitigem Stand der Moral werden Moralaktionskarten aufgedeckt. Diese Karten können von allen genutzt werden.
Anschließend führen die Personen nacheinander ihre Aktionen aus, indem sie die Effekte der Charakter- oder Moralaktionskarten abhandeln. Sobald alle drei Charakterkarten ausgespielt worden sind, wird die Besatzungskarte der Person ausgeführt. Jede Aktionskarte gewährt einen Aktionspunkt, kleinere Boni oder Sonderaktionen. Aktionspunkte können für folgende Standardaktionspunkte eingesetzt werden:

Bewegen: Der Charakter wird über zwei Straßen bewegt. Sollte sich ein Soldat oder ein Polizist auf dieser Straße befinden und der Charakter trägt keinen Ausweis mit sich mit, so wird eine Kontrollkarte abgehandelt. Hierbei müssen sich die Personen zwischen zwei Handlungsoptionen entscheiden und anschließende Konsequenzen ausführen.

Zugfahren: Ein Ticket einsetzen, um einen beliebigen Ort zu besuchen.

Sicherheitsstufe erhöhen: Würfeln, um die Sicherheitsstufe des aktuellen Ortes zu erhöhen.

Informationen erhalten: Erhalte eine Information und reduziere die Sicherheitsstufe um eins. Informationen können genutzt werden, um einen Würfel erneut zu werfen.

 Ortsaktion ausführen: Führe die Ortsaktion des aktuellen Ortes aus.

 Szenarioaktion ausführen: Führe die Aktion des aktuellen Szenarios aus.

 Ressourcen können geteilt werden, wenn sich beide Charaktere am gleichen Ort befinden. Dies kostet keinen Aktionspunkt.

Nachtphase

In dieser Phase wird die Sicherheit des derzeitig besuchten Ortes gesenkt. Fällt die Sicherheitsstufe unter eins, so findet eine Ortsdurchsuchung statt. Dies kann verheerende Folgen für die Person mit sich bringen, die sich dort befindet. Außerdem kann sie Einfluss auf das aktuelle Szenario haben.

Zuletzt werden die Polizisten und Soldaten auf dem Spielplan mittels Patrouillenkarten bewegt. Hierzu wird die Moral um eins verringert und alle Token werden entsprechend versetzt. Die Sicherheitsstufe von jedem Ort, den sie durchqueren, wird reduziert und von jedem Charakter, den sie auf diesem Weg entdecken, wird das Alibi gesenkt.

 Die Phasen wechseln sich ab, bis das Ziel des Szenarios erfüllt wurde. Sinkt das Alibi oder die Moral vorzeitig auf null, endet das Spiel und der Widerstand wird zerschlagen.

Zunächst möchte ich an dieser Stelle erneut betonen, dass es sich um einen Prototyp handelt. Das Material, Spielmechaniken wie auch Regeln, Werte und Kartentexte sind Work-in-Progress und werden vermutlich im Laufe der Kampagne und der Entwicklungszeit angepasst.

„Orange Shall Overcome“ ist eines der ersten Werke des jungen Entwicklerteams Liberation Game Design. In das Spiel ist viel Herzblut geflossen. Da es sich bei dem Entwicklerstudio um ein niederländisches Team handelt, haben sie auch einen persönlichen Bezug zu den Ereignissen und der Besatzung während des 2. Weltkrieges. Doch reicht das aus, um ein gutes Brettspiel zu entwickeln? Wir haben „Orange Shall Overcome“ für euch getestet.

Beginnen möchte ich, wie immer, mit dem Material. Hier sollten Spieler und Spielerinnen keine opulenten Komponenten erwarten. Das Spielbrett und die Playerboards sind gewöhnungsbedürftig, wohingegen mir das Artwork sehr gut gefallen hat. Die Ikonografie ist ebenfalls zu Beginn recht uneindeutig. Außerdem würde mich sehr interessieren, ob Farbenblinde mit dem Spiel zurechtkommen, da die Farbgebung an einigen Punkten eine Rolle spielt.

Wenn ich Punkte für das Material vergeben sollte, würde ich fünf von zehn möglichen Punkten geben. Wir können jedenfalls gespannt sein, ob sich an dieser Wertung im finalen Produkt noch etwas ändert.

Spielerisch haben mir die Kontrollkarten am meisten Spaß bereitet. Hier wird ein Text vorgelesen und die aktive Person hat zwei Handlungsoptionen zur Auswahl. Ich kann nicht häufig genug betonen, wie sehr mir so etwas gefällt. Hierdurch wird das Spiel immersiver und verleiht den Charakteren mehr Persönlichkeit. Leider versuchen alle einer Kontrolle zu entgehen, weshalb die Karten zu selten gezogen werden.

Ansonsten ist die Mechanik, die gemeinschaftlich genutzten Aktionen ausgeschlossen, auch nicht sonderlich innovativ. Häufig werden die gleichen Aktionen durchgeführt.

Gut gefallen haben mir hingegen die einzelnen Charaktere, da sie sich alle leicht unterschiedlich spielen.

Kommen wir nun zu der, meiner Meinung nach, absoluten Stärke und gleichzeitig auch größten Schwäche von „Orange Shall Overcome“, der Thematik.

Wir befinden uns mitten im 2. Weltkrieg in den Niederlanden und versuchen eine Revolution gegen die Besatzer anzuzetteln. Alles in dem Spiel strotzt nur so vor Thematik. Angefangen bei den Hintergrundgeschichten der verschiedenen Charaktere bis hin zu den Patrouillen, den Zugriffen und den Straßenkontrollen.

Hier wird kein Blatt vor den Mund genommen, was einigen Personen jedoch nicht gefallen dürfte. Ich persönlich habe kein Problem damit, aber Deportationen und andere Ereignisse des 2. Weltkrieges könnten einigen Spielern und Spielerinnen den Spaß nehmen.

Ich würde „Orange Shall Overcome“ als „special-Interest-Titel“ klassifizieren. Die Szenarien sind abwechslungsreich und das Spiel schafft es, dass sich die Spieler und Spielerinnen fühlen, als seien sie Widerstandskämpfer und -kämpferinnen zu Zeiten des Nationalsozialismus. Ob das etwas ist, was einem gefällt, muss nun jeder für sich selbst entscheiden.

Bilder zum Spiel

Tags: Crowdfunding