TEST // GLOOMHAVEN - FORGOTTEN CIRCLES

TEST // GLOOMHAVEN - FORGOTTEN CIRCLES

Verfasst von Michael Tomiak am . Veröffentlicht in Brettspieltest

Die Ereignisse aus dem großen Finale in GLOOMHAVEN hallen noch immer nach. Doch während ihr noch immer unter der Last des großen Kampfes zu leiden habt, braut sich über der Stadt bereits der nächste Sturm zusammen. Gerade als ihr euch einen geselligen Abend im Schlafenden Löwen gönnen wollt, werdet ihr durch eine Aesther, die durch einen Riss in der Gaststätte erscheint, direkt in den nächsten großen Konflikt hineingezogen. GLOOMHAVEN – FORGOTTEN CIRCLES bringt euch direkt in die nächste große Kampagne im Kampf gegen das Böse.

Wir haben uns GLOOMHAVEN – FORGOTTEN CIRCLES mit einem Presserabatt vergünstigt kaufen können. Auf unsere Wertung der Erweiterung hat dies natürlich keinen Einfluss.

Die Umgebung kenne ich, aber trotzdem ist es alles irgendwie neu

 

 

Spoiler, die Ereignisse vorwegzunehmen - das wird es in der Rezension nicht geben. Ich werde allerdings sehr detailliert auf die Eigenarten der neuen Propheten-Klasse eingehen und etwas grundlegendes über genutzte Mechaniken in vereinzelten Szenarien erzählen.

 

Die Erweiterung GLOOMHAVEN – FORGOTTEN CIRCLES schließt unmittelbar an das Ende der Kampagne von GLOOMHAVEN an. Sobald Szenario 51 aus dem Grundspiel abgeschlossen worden ist, kann die Fortführung der Geschichte auf Seite 4 des neuen Regel- und Szenarienbuches angegangen werden. Zusätzlich wird empfohlen, das Stadtarchiv ebenfalls bereits abgeschlossen zu haben, da ansonsten die Storyline nicht ganz logisch verläuft. Nachdem die Überleitung vom großen Finale in die neue Kampagne erzählt worden ist, gibt es eine kurze Erklärung, worauf bei der neuen Kampagne zu achten ist. Ganz wichtig ist hierbei, dass ein Spieler eine namenlose Heldin der Propheten-Klasse erstellen muss, welche in allen Abenteuern der Kampagne zwingend dabei ist. Sollte die Prophetin in einem Szenario erschöpft werden, gilt diese Mission zudem sofort als gescheitert.

Die Proheten-Klasse ist mit neuen Möglichkeiten ausgestattet, die bislang noch keiner Klasse (die mir bekannt ist) vorbehalten waren. Dazu gehören die Risse, das Teleportieren sowie das Manipulieren der Angriffsmodifiaktoren- bzw. Monsterfertigkeiten-Decks. Risse sind Marker, die durch Fähigkeiten auf dem Spielfeld ausgelegt werden und für sich erst einmal keine Fähigkeiten haben. Fähigkeiten erhalten die Risse durch das Ausspielen von Fertigkeitskarten der Prophetin. Dadurch können Helden u.a. geheilt oder teleportiert werden. Bei Feinden können Risse wiederum Flüche auslösen oder Verwundungen und Lähmungen. Die Effekte bleiben allerdings jeweils nur bis zum Ende der Runde, in der sie aktiviert wurden, aktiv. Über das Teleportieren kann die Prophetin nicht nur sich selbst und ihre Gefährten an entfernte Positionen bewegen, sondern teilweise ist es auch möglich, mit Gegnern die Plätze zu tauschen oder eine bestimmte Gruppe von Gegnern zu bewegen. Manipulationen der Modifikatoren- und Fähigkeitendecks bedeuten, dass eine bestimmte Anzahl Karten aus einem der Decks aufgedeckt und in einer gewünschten Reihenfolge wieder zurückgelegt oder unliebsame Karten komplett für die Dauer des Szenarios entfernt werden können.

Eine weitere Neuerung im Spiel sind Riss-Ereignisse, die ähnliche wie Wegereignisse zu handhaben sind. Nach dem ersten Abenteuer werden die ersten 10 Riss-Ereignisse zu einem Deck zusammengestellt, aus dem später zu bestimmten Zeitpunkten eine Karte anstelle der Weg-Ereignisse abgehandelt wird. Neue Weg-Ereignisse gibt es so gut wie nicht, dafür aber eine Handvoll neuer Stadtereignisse. Wie gewohnt werden die Karten erst dann in diese vorhandenen Stapel gemischt, wenn das Spiel dazu auffordert. Zusätzlich gibt es noch Verbesserungen vereinzelter Karten für die Decks von vier Helden, die direkt ausgetauscht werden sollten, wenn die Klasse freigeschaltet und aktiviert wurde. Der Erweiterung liegen auch einige neue Gegenstände bei, die auf Anweisung des Spiels zur Auswahl stehen. Alle hinterlassen einen sehr nützlichen Eindruck und dürften jeder Heldengruppe gut zu Gesicht stehen.

Die Story gibt sich auch diesmal gewohnt episch. Die einzelnen Szenarien sind, wie im Grundspiel, liebevoll aufgebaut und bieten reichlich atmosphärisch erzählten Text. Es gibt nun Abschnitte, die wie bei „Choose your Adventure“-Abenteuern abgehandelt werden. So gilt es, an einigen Stellen in den Szenarien Entscheidungen zu treffen. Und je nachdem, ob nun z.B. der linke oder rechte Weg gewählt oder Druckplatte a, b oder c betätigt wird, gilt es, einen entsprechend nummerierten Abschnitt im Buch zu lesen, wodurch das Szenario mit den dort beschriebenen Konsequenzen weiter geht.

In den Szenarien gilt es nun auch, knackige Rätsel zu lösen. Diese können einmal aus einfachen Zahlenkombinationen bestehen, die herausgefunden werden müssen, einmal aus recht komplexen Rätselfragen, bis hin zu Druckplatten, die in bestimmter Reihenfolge aktiviert werden müssen. Zudem gibt es auch wieder Einiges, das übersetzt werden muss, wobei der Entschlüsselungscode ein anderer ist als der, der im Hauptspiel genutzt werden musste und es somit zunächst gilt, den passenden Dechiffrierungscode zu finden.

In Sachen Monster werden in GLOOMHAVEN – FORGOTTEN CIRCLE 3 neue Bosse eingeführt, wobei der Endgegner auf ganz spezielle Weise ins Geschehen eingreift, fernab des gewohnten Boss-Angriffdecks. Zu den normalen Kämpfern gehören jeweils 2 Anhänger der Valraths und 2 der Aesther, auf welche die Gruppe im Verlauf der Kampagne immer wieder einmal trifft. Abgesehen davon, dass Elite-Gegner beim Monsterdeck teils zusätzliche Aktionen haben und der Fokus teils auf den schwächsten Helden gerichtet ist, gibt es hier keine nennenswerten Änderungen.

Heldin, Gegner und ein neues Ringbuch

Die Erweiterung bietet die vom Hauptspiel gewohnte Qualität. Beim Szenariobuch darf sicherlich (weiterhin) darüber gestritten werden, ob ein Ringbuch die beste Lösung ist, da die Gefahr, dass Seiten herausreißen, relativ groß ist. Die unterschiedlichen Karten kommen gewohnt stabil daher und bieten neben den Karte für die Prophetin noch Gegenstände, Monsterfähigkeiten, Weg-, Stadt- und Riss-Ereignisse. Die neuen Gegnertypen werden wie gewohnt als Pappstandees in einem Stanzbogen ausgeliefert. Ebenfalls sind Aufkleber für neue Orte und Erfolge sowie verschlossene Umschläge, die für die gewohnte Neugierde sorgen, in der Box zu finden.

Die neuen Regeln werden auf einer Seite erklärt, was für das Verständnis vollkommen ausreichend ist. Neue Mechaniken sind vor allem Regeneration, Risse, Teleportieren, Maueraufleger, und Mischelemente, die allesamt leicht verständlich sind. Auf der Rückseite des Buches sind noch einmal die Monster-KI-Aktionen aufgeführt, da Fragen danach, ob ein Monster sich bewegt und falls ja, in welche Richtung sowie worauf sich der Fokus richtet, bei einigen Spielern immer wieder auftauchen. Die restlichen 62 Seiten des Ringbuchs sind mit 23 frischen Szenarien und zahlreichen Abschnitten gefüllt.


GLOOMHAVEN – FORGOTTEN CIRCLES setzt nahtlos dort an, wo GLOOMHAVEN nach dem Ende der Kampagne und dem Besiegen des Gegners aufgehört hat. Doch bleibt deswegen alles beim Alten? Keinesfalls! Während FORGOTTEN CIRCLES die Ausrichtung des Grundspiels beibehält, kommt es mit zahlreichen Neuerungen daher. Dass eine neue Klasse ins Spiel kommt, ist dabei nicht wirklich spektakulär neu, da diese bereits mit dem Legacy-Aspekt der Grundbox immer wieder neu hinzukamen. Doch die Prophetin bringt einiges an neuen Mechaniken mit, die es in sich haben. Von der Komplexität ist sie allerdings auch sehr anspruchsvoll zu spielen. Das beginnt schon beim Zusammenstellen des Decks, wobei früh festgelegt werden sollte, ob die Aesther nun am liebsten die Decks manipulieren möchte oder doch lieber mit den Rissen spielt. Mit ein wenig von allem im Deck dürfte die Aesther-Prophetin nur recht ineffektiv zu spielen sein und wer sich streng an die Regeln hält und keine Hausregeln zum nachträglichen Anpassen der gewählten Karten beim Stufenaufstieg vereinbart hat, landet dadurch sehr schnell in einer Sackgasse.

Eine Spezialisierung auf die Risse erfordert während des Spiels sehr gutes Timing und sehr gutes, strategisches Vorgehen. Das Auslegen und Bewegen der Risse an sich ist zunächst kein Problem, das Spielen der Effekte darauf wird allerdings schnell zur Herkulesaufgabe. Die Aktivierungszahlen auf den Karten sind eher hoch, was gerade bei Gegnern, die früh ins Geschehen eingreifen, Auswirkungen von Risseffekten schnell einmal verpuffen lässt. Es gibt zwar durchaus Möglichkeiten, Gegner in die Risse zu bewegen, aber diese sind nur in sehr begrenzter Anzahl verfügbar. In den höheren Leveln kann über die Risse theoretisch hoher und effektiver Schaden angerichtet werden, doch der Weg bis dahin ist sehr, sehr steinig und perfektes Timing und Glück bei der Zugreihenfolge bleiben extrem wichtig.

Bei einer Spezialisierung auf Manipulation stellt sich das Problem heraus, dass hierbei nur wenig Möglichkeiten zum aktiven Eingreifen bleiben. Es ist zwar durchaus von Vorteil zu wissen, welche Fähigkeiten und Modifikatoren die Gruppe erwarten, in meinen Augen kompensiert dies das fehlende direkte Eingreifen in das Geschehen aber nicht wirklich. Mir persönlich gefallen einige Aspekte der Prophetin durchaus. Vor allem das Teleportieren, das in einigen Szenarien immens wichtig ist, kann klare Vorteile bringen. Insgesamt bietet die hohe Komplexität der Klasse für meinen Geschmack dann allerdings zu wenig Vorteile.

Den Schwierigkeitsgrad bei den neuen Szenarien finde ich ebenfalls verdammt knackig. Sehr oft kommt es vor, dass in kleinen Räumen kaum noch Platz zum Bewegen bleibt, weswegen ohne Teleportation, die dann teils auch noch verboten ist, kaum Raum zum Atmen bleibt. Dazu kommen noch die Rätsel während der Szenarien, welche die Spieler nicht nur immer wieder aus den taktischen Kämpfen holen, sondern zudem für meinen Geschmack auch eine nervige Zumutung sind. Gerade Druckplattenrätsel mit dem Umlenken von Strahlen (Szenario 112), dem Bewegen mechanischer Mauern (Szenario 107) oder – ganz fürchterlich – mit zahlreichen Sonderregeln (Szenario 100) machen viel mehr Lust, einfach abzubrechen, als weiterzuspielen. Was bei CRPGs manchmal(!) vielleicht noch funktionieren mag, sorgt hier nur für Frust und den Wunsch, es einfach nur irgendwie möglichst schnell zu beenden.

GLOOMHAVEN – FORGOTTEN CIRCLES abschließend zu bewerten, fällt mir nicht ganz leicht. Dies hat u.a. auch damit zu tun, dass GLOOMHAVEN bei mir mit weit über 30 Spielen über 120-300 Minuten pro Spiel sicherlich das am längsten gespielte Brettspiel ist. Und wir reden hier nicht von einem kurzen Spiel für den Einstieg, sondern ein Komplexitätsmonster von epischer Spielzeit. Als Vielspieler bemerke ich so langsam, dass die endlos scheinende Kampagne die Lust auf das Spiel negativ beeinflusst. Nachdem mir die Erweiterung vorlag und ich den magischen Ort 51 aktiviert hatte, musste ich feststellen, dass dieser noch nicht betreten werden konnte, da die erforderlichen Erfolge noch nicht freigeschaltet waren. Also hieß es zunächst, weiter an den Erfolgen zu arbeiten, bevor die Erweiterung gestartet werden konnte. Dass das Stadtarchiv am Ende noch nicht erfüllt war – egal. Darauf auch noch zu warten, dafür fehlten mir die Nerven und die Zeit.

Wer sich weiterhin regelmäßig darauf freut, in die epische GLOOMHAVEN-Welt eintauchen zu können, und vor großen, strategischen Herausforderungen nicht zurückschreckt, der wird sicherlich seine Freude an der Erweiterung finden. Für all jene bedeutet FORGOTTEN CIRCLES endlich frischen Nachschub und die Möglichkeit, noch tiefer in die Geschichte eintauchen und sich noch größeren Herausforderungen stellen zu können. Wer immer noch nicht genug von GLOOMHAVEN bekomme kann, wird sicherlich blind zugreifen können, da er von allem, was er mag, noch mehr bekommt.

Bei mir ist es allerdings ein wenig anders. Bei der Erweiterung machte sich immer stärker Heldenmüdigkeit breit, die sich von Szenario zu Szenario immer weiter steigerte. Die Prophetin konnte bei mir mit ihren Fähigkeiten nicht groß punkten, die Kämpfe waren teils sehr anstrengend und die Rätsel einfach nur eine große, nervende Last auf den Schultern. Wenn mir etwas klar geworden ist durch GLOOMHAVEN – FORGOTTEN CIRCLES, dann dass ich von dem Spiel schlichtweg übersättigt bin. Ich werde FROSTHAVEN, den GLOOMHAVEN-Nachfolger, nicht bei Kickstarter unterstützen, da mir durch die sicherlich erneut epische Kampagne zu viel Zeit für abwechslungsreiche Vielfalt verloren geht. Ich hätte nicht gedacht, dass ich das einmal sagen würde. Aber deutlich weniger (Kampagne), wäre hier deutlich mehr (Spielvergnügen) gewesen. GLOOMHAVEN ist und bleibt ein Meilenstein für mich, eines der großartigsten Spiele, die ich kenne. Was ich ihm allerdings nicht verzeihen kann, ist, dass es schlichtweg zu lang ist und vielen dadurch ein Erfolgserlebnis verwehrt.

Als abschließendes Fazit kann ich für mich sagen, dass GLOOMHAVEN – FORGOTTEN CIRCLES das Feuer für GLOOMHAVEN jedenfalls bei mir leider nicht neu entfachen konnte. Zu viel, zu schwer, zu wenig herausragend, würde ich es kurz und knapp für mich auf den Punkt bringen. Im Grunde freue ich mich jetzt, nicht nur meine Helden, sondern auch mich selbst in den GLOOMHAVEN-Ruhestand zurückziehen zu können. Ich werde sicherlich ab und zu gerne wieder nach GLOOMHAVEN zurückkehren. Aber ganz sicher nicht mehr für eine epische Kampagne. Da halte ich es ganz mit Roger Murtaugh: „Ich bin zu alt für diesen Scheiß!“.

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Bilder zum Spiel

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Tags: Kämpfen, Storytelling, Kampagne, Variable Helden-Fähigkeiten, 1-4 Spieler, Handmanagement

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