TEST // OH CAPTAIN!
Das Leben eines Kapitäns ist nicht einfach. Die ständige Verantwortung, alles am Laufen zu halten, die stetige Ausrichtung auf den Profit der Unternehmung und das im Auge behalten der Crew können ganz schön anstrengend sein. Eine loyale Crew ist hierbei der Schlüssel zum Erfolg: eine Crew, die so heldenhaft ist, dass sie für jede Aufgabe gewappnet ist, eine Crew, die dem Kapitän den ihm gebührenden Respekt zollt, und eine Crew, die nicht einmal im Traum an eine Meuterei denkt. In OH CAPTAIN! übernehmen die Spieler die Rollen der Crew und des Kapitäns und haben die Aufgabe, eine Schatzhöhle nach den wertvollsten Schätzen abzusuchen und sie dem Kapitän zu bringen. Als ehrenhaftes Crewmitglied würdet ihr niemals auf die Idee kommen, dem Kapitän die wertvollsten Stücke vorzuenthalten, oder? Der neue schicke Säbel und die schicke Kajüteneinrichtung sind ja bisher auch nicht aufgefallen.
Wir haben OH CAPTAIN! selbst gekauft.
Dies hat keinen Einfluss auf unsere Bewertung!
Darum geht es im Spiel
Bei OH CAPTAIN! übernehmen die Spieler die Rollen einer Abenteurergruppe, die sich nach einem Schiffsunglück, gerettet von einem Seeungeheuer, in einer großen Schatzhöhle wiederfindet. Ein Spieler übernimmt die Rolle des Kapitäns, während die restlichen Spieler die Crew darstellen.
Das Ziel der Spieler ist es, die Schatzhöhle zu durchsuchen und die wertvollsten Stücke für sich zu beanspruchen. Zu Beginn des Spiels erhält der Kapitän den Kapitänsmarker (eine Flaschenpost) und den darunterliegenden Ablagestapel aus 3 Karten, die vom Kartenstapel gezogen werden. Nur der Kapitän hat Einblick in diesen Ablagestapel und kann sehen, welche Karten bereits aus dem Spiel sind. Auf dem jeweiligen Spielertableau der Spieler ist zusätzlich zu erkennen, welche Kartenart in welcher Anzahl im Kartenstapel enthalten ist.
Während eines Spielerzuges zieht der aktive Spieler eine Karte vom Kartenstapel und schaut sich die Karte verdeckt an. Jede Karte besitzt bestimmte Geldwerte, die als Siegpunkte am Ende des Spiels zusammengezählt werden, oder eine bestimmte Fähigkeit, die der Spieler daraufhin einsetzen kann. Dazu zählen Pistolen (die eine Beutekarte eines anderen Mitspielers auf den Ablagestapel schickt), ein Greifarm (der eine Beutekarte eines anderen Mitspielers stehlen kann), eine Eidechse (die eine Münze stehlen kann) und zu guter Letzt ein Ei des heiligen Seeungeheuers, das die Abenteurergruppe gerettet hat (dazu gleich mehr).
Die Aufgabe des Spielers ist es, dem Kapitän, der keine eigenen Spielzüge ausführen kann, über seine Karte aufzuklären und ihm zu sagen, welche Karte er gezogen hat. Natürlich muss er nicht die Wahrheit sagen, sollte es sich um eine Karte handeln, die der Spieler lieber für sich behalten möchte. Der Kapitän muss nun überlegen, ob er seinem Crewmitglied vertrauen kann und ihm glaubt, dass es sich tatsächlich um eine solche Karte handelt oder nicht. Glaubt der Kapitän ihm, gibt er dem Spieler eine Goldmünze und legt die neu erworbene Beutekarte offen vor sich ab. Entspricht die Angabe des Spielers der Wahrheit, kann der Kapitän die Fähigkeit der Karte für sich selbst nutzen, andernfalls wird die Karte einfach offen im Beutebereich des Kapitäns abgelegt. Glaubt der Kapitän dem Spieler nicht, kann er sich dazu entscheiden dem Spieler die Karte zu überlassen. Der Spieler legt dann die Karte verdeckt in seinen Beutebereich und nutzt die Fähigkeit der Karte, die er dem Kapitän verkündet hat, unabhängig davon, ob es sich bei der verdeckten Karte tatsächlich um die besagte Karte handelt oder nicht.
Handelt es sich um eine Angriffskarte (Greifhaken, Pistole oder Eidechse), kann der Spieler nun einen Spieler aussuchen, von dem er etwas stehlen möchte (der Kapitän darf aus Gründen des Respekts natürlich nicht als Ziel genommen werden). Der ausgewählte Spieler muss anschließend entscheiden, ob er diesen Angriff hinnimmt oder die Fähigkeit des aktiven Spielers anzweifelt. Zweifelt er an, dass es sich bei der verdeckten Karte tatsächlich um die besagte Karte handelt, muss der aktive Spieler die Karte aufdecken. Hat er die Wahrheit gesagt kann er den Angriff ausführen und erhält vom zweifelnden Spieler aufgrund dessen Dreistigkeit eine zusätzliche Münze. Hat der Spieler aber gelogen, verfällt der Angriff und er muss eine Münze als Wiedergutmachung an den zweifelnden Spieler abdrücken.
Der Kapitän muss dabei sehr vorsichtig sein, welche Karten er seiner Crew abkauft. Einerseits könnte das Crewmitglied ihm ein Ei anbieten, das dem Spieler, der es am Ende besitzt, einen Minuspunkt einbringt, und andererseits könnte der Spieler durch die Bezahlung des Kapitäns an mehr Geld gelangen, als der Kapitän zu dieser Zeit besitzt. Beginnt ein Spieler seinen Spielzug mit mehr Geld als der Kapitän, muss er ihm seine Loyalität beweisen, indem er eine Münze an den Kapitän zahlt oder meutern, womit der aktive Spieler zum neuen Kapitän wird und seinen Spielzug damit automatisch beendet. Der bisherige Kapitän wird damit zum Crewmitglied, bis er wieder mehr Geld erhält und die Entscheidung trifft, erneut zu meutern. Das Spiel endet, sobald die „Nomaden-Karte“ aus dem Kartenstapel aufgedeckt wird (wodurch die Spieler von einer Gruppe Nomaden eingesammelt werden und sie ihre gefundenen Schätze an sie verkaufen können).
Nun werden alle Punkte auf den Beutekarten sowie die Anzahl an Angriffskarten zusammengezählt, um die zusätzlichen Mehrheitsmarker zu verteilen (der Spieler mit den meisten Pistolen/Eidechsen/Greifarmen erhält einen Mehrheitsmarker und damit zusätzliche 4 Punkte) und anschließend den Sieger zu küren.
Um für ein wenig Spielvariation zu sorgen, ist das Spiel mit insgesamt 6 Charakteren ausgestattet, von denen jeder über eine individuelle Fähigkeit verfügt. Diese Fähigkeiten können von den Spielern eingesetzt werden, solange sie nicht zum Kapitän geworden sind, sodass sich jeder Charakter ein wenig anders spielen lässt.
Was ist in der Box?
Das Spielmaterial von OH CAPTAIN! ist sehr hochwertig. Die insgesamt 35 Karten sind mit einem sehr gut gestalteten Artwork und Goldinlays auf der Rückseite versehen. Der Marker für den Kapitän ist eine kleine Flaschenpost aus Kunststoff mit einem kleinen Brief im Inneren und die „Höhle“, aus der die Beutekarten gezogen werden, wird von einem eigens dafür designten Pappaufsteller dargestellt. Zudem ist das Spielmaterial sehr robust, was sich über alle Spielkomponenten gleichermaßen sagen lässt. Auch die Spielschachtel an sich ist mit einem gut durchdachten Sortiersystem ausgestattet, bei dem alle Komponenten an Ort und Stelle verweilen.
Da OH CAPTAIN! Teil einer Spielereihe ist, enthält die Spielschachtel ein kleines Geschichtsbuch, das eine sich durch alle Spiele ziehende, fortlaufende Geschichte erzählt und den Hintergrund des Spiels erklärt.
Auch das Regelbuch ist sehr strukturiert und erklärt die Regeln flott und mit sehr guten Beispielen. Zudem lässt es den Kartenerklärungen viel Platz, damit sie bei einer Suche schnell gefunden werden können, was dem Spielfluss hilft.
OH CAPTAIN! ist ein kleines, kurzweiliges und überaus niedliches Spiel. Ganz nach dem Motto „Der erste Eindruck zählt“ präsentiert sich OH CAPTAIN! mit Spielmaterial, das für viel Aufsehen auf dem Spieltisch sorgt. Es ist dem Spiel anzusehen, dass sich der Verlag viele Gedanken gemacht hat, sodass sich am Artwork, Design und dem Material keinerlei Makel feststellen lassen.
Auch das Spielgeschehen lässt sich als sehr angenehm beschreiben. Das Spiel ist sehr leicht verständlich, die Kernmechaniken greifen gut ineinander und auch die individuellen Fähigkeiten der Charaktere bringen ein wenig Abwechslung ins Spiel. OH CAPTAIN! ist damit genau das, was es sein möchte, ein leichtverständliches und kurzweiliges Bluff-Spiel.
Aber leider ist nicht alles in trockenen Tüchern. Der größte Vorteil von OH CAPTAIN! ist zugleich sein größter Nachteil. Auch wenn die Qualität und Präsentation sehr gut sind, lässt sich das Spiel diese teuer bezahlen. Mit einem Preis von ca. 25-30€ kostet das Spiel meiner Meinung nach das doppelte davon, was es vertretbarer Weise kosten sollte. Das Spielmaterial mag besonders schön aussehen, hilft dem Spiel aber im Grunde nicht und treibt den Preis nur unnötig in die Höhe. Hätte der Verlag das Spiel mit 35 Karten und 6 kleinen Charaktertableaus aus dünnerem Material und mit ein paar Münztoken aus Pappe in einer handlichen Schachtel veröffentlicht, wäre es vermutlich um einiges besser in der Brettspielgemeinschaft angekommen.
Für den geforderten Preis bietet OH CAPTAIN! nämlich viel zu wenig. Außer den Charakterfähigkeiten gibt es keinerlei Variation im Spielgeschehen. Jeder Spielzug wirkt gleich, wodurch schnell Ermüdungserscheinungen auftreten können. Insbesondere der Wiederspielwert leidet darunter, da sich dadurch ebenfalls die Spieldurchläufe sehr gleich anfühlen. Für Vielspieler fehlt es OH CAPTAIN! auch an strategischen Möglichkeiten, da die Spieler nur auf das Bluffen setzen können. In unseren Spielrunden fühlte sich der Sieg damit ein wenig zu sehr zufällig an, weil die Spieler sich beispielsweise immer bei einem Crewmitglied bedienen konnten und ihm damit den Sieg unmöglich machten, indem sie versuchten, die besten seiner verdeckten Karten zu ergattern.
Unterm Strich bietet sich OH CAPTAIN! damit mehr Spielergruppen an, die eher auf Bluff-Mechaniken als auf Strategie setzen und Spiele dabei nicht zu ernst nehmen. OH CAPTAIN! gelingt es besonders durch seine Präsentation ein interessantes Spielgefühl zu vermitteln, das jedoch nicht zu tief analysiert werden sollte und von dem nicht allzu viele Variationen erwartet werden sollten. Interessierte Spieler können (insbesondere mit einem rabattierten Preis) bei OH CAPTAIN! einen Blick riskieren.
Bilder vom Spiel
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Tags: 15-30 Minuten, 3-6 Spieler, Bluffen