Test | Freie Fahrt
Die Welt der Eisenbahn fasziniert Klein und Groß. Zahlreiche Spiele haben sich bereits mit diesem Thema auseinandergesetzt. Nun auch Friedemann Friese, der uns zur Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert nach Europa entführt. Und so präsentiert sich die Spielbox im gewohnten frischen Grün. Die Illustration des Covers erinnert dabei an den Jugendstil, der zu dieser Zeit stark in Europa verbreitet war. Holt das grafische Konzept die Spieler und Spielerinnen von heute ab und welche interessanten Kniffe hat "Freie Fahrt" zu bieten?
Das Spiel wurde gekauft. Auf die Wertung hat dies keinen Einfluss!
So funktioniert das Spiel
In "Freie Fahrt" haben wir zwei wesentliche Ziele. Zum einen den Aufbau des Streckennetzes zwischen den 45 Großstädten Europas. Zum anderen den Transport von Passagieren zu den jeweiligen Sehenswürdigkeiten. Das Spiel ist in drei Phasen – Prolog, Hauptspiel und Spielende – unterteilt. Schauen wir uns doch die Phasen genauer an.
Prolog
Zu Beginn des Spiels wählen alle Personen am Tisch ihre erste Reiseroute und somit auch den Startort für ihren Zug. Der Startspieler oder die Startspielerin wählt eine der drei verfügbaren Reiserouten. Eine Reiseroute besteht aus drei Karten, die offen untereinander ausliegen. Aufgenommen werden aber nur zwei Karten. Entweder die oberste, die zum Startort wird, und die mittlere Karte (Zielort) oder die Kombination aus mittlerer (Start) und unterster (Ziel) Karte. In beiden Fällen werden die zwei Karten so auf den Waggon gelegt, dass das Ziel der Reise sichtbar ist. Der Zug wird auf die Ausgangsstadt gestellt. Anschließend wird die dritte Karte aus dem Spiel entfernt. Die Reiseroutenauslage wird nach jeder Person aufgestockt. Haben alle reihum ihre Startstadt bzw. Reiseroute gewählt beginnt das Hauptspiel.
Hauptspiel
Im Hauptspiel von "Freie Fahrt" wählen die Personen am Tisch abwechselnd eine von drei Aktionen aus: Schienen bauen, Zug fahren oder neue Schienen nehmen. Ok, wir stehen also nun mit unserem Zug in einer Hauptstadt Europas. Auf unserem Waggon steht unser Reiseziel. Fehlt nur noch die Eisenbahnstrecke dorthin.
Schienen bauen
Es dürfen bis zu zwei Baupunkte ausgeben, um Schienen zu bauen. Normale Streckenfelder kosten einen Baupunkt. Tunnel- und Fährenfelder hingegen zwei. Bei Baubeginn jeder Eisenbahnstrecke wird ein Besitzmarker platziert. Die Eisenbahnstrecke bleibt so lange Eigentum des Erbauers, bis sie verstaatlicht wird. Neue Strecken dürfen erst gebaut werden, wenn die Verbindung zwischen zwei Städten fertig gestellt ist. Wenn bei dieser Aktion die Schienen ausgehen, dürfen für eine Münze, fünf Schienen aus dem allgemeinen Vorrat gekauft werden.
Zug fahren
Der Zug kann sich entlang fertiger Eisenbahnlinien immer zwei Städte weit bewegen, egal wie kurz oder lang die Streckenabschnitte sind. Früher oder später wird es passieren, dass die Konkurrenz bereits fertige Verbindungen hat, die man selbst nutzen möchte. Für die Kosten von einer Münze ist dies möglich. Der Besitzmarker wird entfernt und zukünftig dürfen alle, die jetzt staatliche Strecke, umsonst befahren.
Erreicht ein Zug das Reiseziel, werden die zwei Städtekarten vom Waggon genommen. Für jede so besuchte Stadt gibt es am Spielende Punkte. Natürlich kann jetzt wieder eine neue Reiseroute aufgenommen werden. Dies ist aber auch nur möglich, wenn sich der Zug in der jeweiligen Startstadt befindet. Wahrscheinlich muss noch ein kleines Stück gefahren werden.
Die Städte an den äußersten Punkten von Europa geben zusätzlich zwei Münzen, wenn sie besucht werden. Jede Münze ist bei der Endwertung drei Siegpunkte wert. Es kann sich lohnen sie zu sparen und statt für Geld Schienen zu kaufen, die folgende Aktion zu nutzen.
Schienen nehmen
Schrumpft der Schienenvorrat kann diese Aktion genutzt werden, um fünf neue Schienen aus dem allgemeinen Vorrat zu nehmen. Dies kostet keine Münze, allerdings ist anschließend die nächste Person dran.
Ist der erste Satz von drei Nachziehstapeln aufgebraucht, erhält die Spielgruppe einen zweiten Waggon. Ab sofort dürfen alle zwei Reiserouten mit sich führen. Zu dem Zeitpunkt, wenn der dritte Nachziehstapel ins Spiel kommt, wird die Lokomotive umgedreht. Bis Spielende darf der Zug sich nun drei Städte weit bewegen. Außerdem läutet der dritte Satz an Karten die Schlussphase bzw. das Spielende ein.
Spielende
In der letzten Phase des Spiels sind nach wie vor alle Aktionen möglich. Doch alle haben jetzt die Option, nachdem sie mit dem Zug gefahren sind, aus dem Spiel auszusteigen. Entscheidet sich jemand für diese Option, nimmt diese Person für den Rest des Spiels nur noch passiv teil. Immer wenn die passive Person am Zug wäre, erhält diese eine Münze, sprich drei Punkte, aus dem Vorrat. Das Spiel endet, wenn alle Spieler und Spielerinnen gepasst haben.
Endwertung
Die Punktevergabe des Spiels ist recht einfach. Für die erste Karte jeder Stadt gibt es fünf Punkte. Jede weitere Karte der gleichen Stadt ist nur noch zwei Punkte wert. Die gesammelten Münzen sind jeweils drei Siegpunkte wert. Wie fast immer gewinnt derjenige mit den meisten Punkten.
"Freie Fahrt" ist ein Spiel mit schlanken Regeln, die schnell gelernt sind. Das Regelwerk im DIN A4 Format kommt gerade mal mit acht Seiten aus. Gespickt mit zahlreichen Abbildungen, die den Spielaufbau, die Regeln und die Sehenswürdigkeiten erklären. Besonders gefallen hat mir, das "Freie Fahrt" mit einer Vielzahl an Holzteilen (275 Stück) produziert wurde. Lediglich die 54 Münzen sind aus Plastik. Die Qualität des restlichen Spielmaterials ist gut.
Deutliche Abzüge bekommt "Freie Fahrt" bei mir für die Optik des Spielbretts. Es wirkt sehr triste, ja sogar altmodisch. Ob dies ein gewolltes Stilmittel ist oder fehlendes Herzblut für Details lass ich jetzt mal dahingestellt. Hingegen gefallen mir die Illustrationen der Städtekarten sehr gut.
Zwei Spielmechaniken bestimmen das wesentliche Spielgeschehen. Das ist zum einem das Bauen von Verbindungen, wie wir es z. B. von ZUG UM ZUG kennen. Zum anderen der Transport (Pick-up and Deliver) von Touristen in die Großstädte. An dieser Stelle zitiere ich gerne das Känguru: "Meins – Deins, das sind doch bürgerliche Kategorien." Und so werden private Strecken durch einen interessanten Kniff einfach verstaatlicht und für alle Personen am Tisch nutzbar.
Die Verwendung der originalen Städtenamen hat seinen Reiz und ist bezüglich Sprachneutralität sicherlich stimmig, aber beim Spielen geht viel Zeit damit verloren Städte, wie zum Beispiel Gdańsk zu finden. Das Danzig in Polen liegt, wissen vermutlich viele, aber den polnischen Namen kennen wohl die wenigsten. Eine Übersicht auf den Städtekarten, wo die entsprechende Stadt liegt, würde Abhilfe schaffen. Außerdem hätte ich mir eine Punkteübersicht des aktuellen Spielstandes gewünscht, denn die große Abrechnung kommt erst zum Ende des Spiels.
Es gibt zwar eine große Auslage an Touristenrouten. Hier spielt einem viel Glück in die Karten oder halt auch nicht. Was wiederrum das Spiel für Bauchspieler interessant machen könnte.
Bei meiner ersten Partie waren wir zu zweit. Die Aktionen des Mitspielers waren vorhersehbar oder hatten keinen bis wenig Einfluss auf mein persönliches Spiel. Viel mehr Dynamik und letztendlich Spielspaß entwickelte sich aber im Spiel zu viert und fünft. Mit Glück konnten Strecken der Mitspielenden genutzt werden. Es kam zu viel mehr Interaktion. Allerdings war dann auch mal mit etwas Pech die bevorzugte Wunschroute aus der Auslage bereits vergriffen. Schön und durchaus vom Spiel unterstützt ist, das "Freie Fahrt" ganz seicht und langsam anfängt und im weiteren Spielverlauf immer mehr Fahrt aufnimmt. Sehr gut ist ebenfalls die niedrige Downtime. Oft lassen sich die eigenen Spielzüge vorausplanen und somit ist die nächste Person am Tisch innerhalb weniger Sekunden an der Reihe.
"Freie Fahrt" kann auch solo gespielt werden und kommt ohne Automa aus. Ziel im Solomodus ist es 30 Reiserouten zu erfüllen und dabei möglichst viele Siegpunkte (Highscore-Jagd) zu erreichen. Titel vom Lehrling bis zum Generaldirektor können hierbei erspielt werden.
Zur Such-Problematik mit den Städten gibt es eine smarte Lösung (siehe Bilder), die mir bei BGG aufgefallen ist. Farbcodes auf dem Spielbrett und Städtekarten erleichtern die Suche erheblich. Außerdem gibt es bei THINGIVERSE Marker, mit denen die Routen auf dem Spielbrett angezeigt werden – siehe Bilder (römische Zahlen). Lösungen die für mich zwingend bei einer Neuauflage wären.
"Freie Fahrt" ist ein Familienspiel, das durchaus für Vielspieler reizvoll sein kann. Das Spielprinzip ist schnell verstanden und bietet dennoch genug Tiefe. Es spielt sich schnell und locker runter und ist durchaus ein Gateway-Spiel um Wenigspieler und fürs Brettspielen zu begeistern. Bei mir bekommt es einen festen Platz im Regal zwischen "Zug um Zug" und "Age of Steam".
Welche Erfahrungen hast du mit diesem Spiel gemacht
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Bilder zum Spiel
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