TEST // FIRST MARTIANS
Seitdem der Mars immer mehr in den Fokus der Wissenschaft geraten ist, sickert das Interesse am roten Planeten auch immer mehr in die alltägliche Popkultur ein. Insbesondere die Brettspiel-Hits TERRAFORMING MARS und das Expertenspiel ON MARS sind zwei besonders bekannte Ableger der Thematik. 2017 wollte auch PORTAL GAMES mit einem eigenen Mars-Abenteuer auftrumpfen und brachte FIRST MARTIANS auf den Markt. Die Spieler sollen ihre eigene Basis auf dem Mars in Schuss halten und anhand der App Abenteuer in zwei voneinander unabhängigen Kampagnen erleben. Doch lohnt es sich, mit dem Spiel abzuheben?
Wir haben FIRST MARTIANS mit einem Presserabatt von PORTAL GAMES gekauft.
Dies hat keinen Einfluss auf unsere Bewertung!
Darum geht es im Spiel
Bei FIRST MARTIANS übernehmen die Spieler die Rollen von Astronauten, die versuchen müssen, ihrer wissenschaftlichen Arbeit nachzugehen, während sie die Raumstation auf dem Mars betriebsfähig halten müssen. FIRST MARTIANS lässt sich auf drei unterschiedliche Weisen spielen. Die Spieler haben die Wahl, einzelne und unabhängige Szenarien zu spielen oder sich in eine von zwei Kampagnen zu stürzen, von denen eine auf Legacy-Elementen aufgebaut ist. Die Kampagnen bestehen jeweils aus 5 Missionen, die dem Grundspiel jeweils neue und missionsexklusive Sonderregeln hinzufügen.
Grundsätzlich folgt jede Kampagnen- und Szenario-Mission demselben Aufbau. Um das Spiel zu gewinnen, müssen die Spieler eine Vielzahl an Teilmissionen erfüllen, die sie durch das Erfüllen von Aufgaben in der Raumbasis angehen können. Jeder Charakter des Spiels verfügt zusätzlich über individuelle Fähigkeiten, die in bestimmten Bereichen der Raumstation helfen können (der Ingenieur hat einen Vorteil beim Bauen, die Geologin weiß, wie Gesteinsproben am besten genommen werden können usw.).
Die Raumbasis an sich ist in bestimmte Bereiche unterteilt, wobei jeder Bereich eine essenzielle Aufgabe erfüllt. Sauerstoff- und Stromgeneratoren, Grünhäuser und die unterschiedlichen Arbeitsbereiche der Astronauten verfügen über besondere Aufgaben, die von den Astronauten überwacht werden müssen. Das große Problem ist, dass all diese Bereiche während des Spiels immer weiter beschädigt werden können, wodurch der Fortschritt der Teilmissionen behindert werden kann. Jeder Bereich der Raumstation verfügt über kleine Bauteile (die durch kleine grüne oder rote Würfel angezeigt werden), die einzeln ausfallen können und wieder repariert werden müssen. Solange ein Gerät noch einsatzbereit ist, wird dies durch einen grünen Würfel angezeigt. Wird dieser jedoch beschädigt, wird der gründe Würfel durch einen roten ersetzt und die Effektivität der Raumstation wird beeinträchtigt. Ausfälle in der Strom- und Sauerstoffversorgung können dazu führen, dass ganze Räume abgeriegelt werden müssen, während andere Ausfälle die Effektivität von Arbeitsflächen verringern.
Jede Mission besitzt eine individuell angegebene Zahl an Runden, in der die Spieler versuchen müssen, alle Teilmissionen zu erfüllen und zusätzlich am Leben zu bleiben. Jede dieser Runden ist in insgesamt 6 Phasen unterteilt, die von einer begleitenden App strukturiert werden. In der ersten Phase gibt die App in jedem Fall ein neues Event vor, das einen zumeist negativen Effekt auf den Zustand der Raumbasis hat. Ist dies erledigt, wird in der Moral-Phase die Moral der Mannschaft überprüft. Die Moral ist eine wichtige Ressource, weil eine sehr niedrige Moral zu Verletzungen der Mannschaft und eine hohe Moral zu Vorteilen im Spiel führen kann. Die Moral lässt sich durch Aktionen der Spieler sowie von Events beeinflussen.
In der Produktionsphase werden alle Generatoren der Raumstation überprüft. Wichtig ist, dass die Raumbasis genug Strom und Sauerstoff für jeden Raum zur Verfügung stellt und genug Nahrung für die Astronauten generiert. In der Aktionsphase müssen die Spieler ihre beiden Spielertoken auf unterschiedliche Aktionen der Raumbasis verteilen. Während manche Aktionen nur einen Spielertoken benötigen, um fehlerfrei zu funktionieren, verlangen andere Aktionen zwei Spielertoken. Platziert der Spieler nur einen Spielertoken auf eine Aktion, die auch 2 Spielertoken benötigen könnte, muss er die drei speziellen Würfel der Aktion würfeln und ihre Effekte anwenden. Die Würfelergebnisse können dabei Verwundungen, ein zusätzliches Event oder einen Moralboost zur Folge haben, wobei die Aktion nur mit einer ca. 66% Wahrscheinlichkeit gelingt. Besonders bei Spielerrunden mit weniger als 4 Spielern stehen den Spielern zusätzliche Gehilfen in Form von Robotern oder Werkzeugen zur Seite, die als Spielertoken für verschiedene Aktionen genutzt werden können.
Für die Außenmissionen gibt es zudem noch 2 unterschiedliche Fahrzeuge, die durch 2 Plastikminiaturen dargestellt werden und den Außeneinsatz stark vereinfachen, solange sie funktionstüchtig sind. Haben alle Spieler ihre Aktionen zugeteilt, werden diese nacheinander durchgeführt und die Spielertoken anschließend vom Feld genommen.
Die letzte relevante Phase ist die Funktionsstörungsphase. Je nach Zustand der Station und je nach Mission müssen die Spieler spezielle Funktionsstörungswürfel für die unterschiedlichen Bereiche der Station werfen und den gewürfelten Funktionsstörungswert den jeweiligen Bereichen zuordnen. Erreicht ein Funktionsstörungswert eines Bereichs den Wert 5, muss eine dem Bereich zugehörige Karte gezogen werden, auf der ein neuer Defekt angegeben wird, den die Spieler anpassen müssen. Umso öfter ein Wert auf 5 ansteigt, desto mehr Würfel werden in jeder Funktionsstörungsphase geworfen, wodurch die Spieler sich früh den Problemen widmen müssen, bevor es zu einer Funktionsstörungslawine kommt!
Haben die Spieler alle ihre Teilmissionsziele erreicht, können sie diese in der App abhaken und die Mission damit erfolgreich beenden. Läuft die Zeit ab oder stirbt ein Astronaut vorzeitig, verlieren die Spieler sofort das Spiel.
Was ist in der Box?
Die Spielschachtel von FIRST MARTIANS enthält eine große Fülle an Spielmaterial, enthalten sind unter anderem 125 farbige Plastikmarker, 15 spezielle Würfel in insgesamt 7 Farben, 3 Plastikminiaturen, 4 Umschläge mit Legacy-Inhalten, 6 Szenario-Blätter und 150 Karten (neben einigen weiteren Papp-Markern für unterschiedliche Funktionen).
Selbst das Spielfeld wird mit Papp-Markern versehen, um die Arbeitsbereiche und Generatoren austauschbar und verschiebbar zu halten, sodass bei jeder Mission ein individueller Aufbau dieser Bereiche möglich ist. Die Qualität des Materials ist sehr gut und wirkt in vielen Bereichen gut durchdacht. Die Farbwahl bei einigen Plastikkomponenten des Spiels ist zwar teilweise nicht eindeutig verständlich, jedoch ist dies zum Großteil zu vernachlässigen. Die Gestaltung des Spielfeldes und der Spielkarten ergeben Sinn und lassen alle nötigen Informationen schnell erkennen, während dies bei vielen Missionsblättern eher umgekehrt ist. Diese sind meist sehr überfüllt, ohne eine einheitliche Struktur zu besitzen, sodass die Spieler hier genauer hinschauen müssen.
Die benötigte App ist leicht zu bedienen und lässt kaum Fehler zu. Positiv ist, dass die App über ein FAQ für jede spezielle Mission verfügt, sodass sich die Spieler hier bei Unklarheiten umsehen können. Das Regelbuch hat an vielen Stellen große Probleme, die Regeln für neue Spieler verständlich zu machen. Auch wenn viele grafische Beispiele dargeboten werden, sind die Regeln teilweise schwammig und ungenau formuliert, wodurch sich das von dem Regelbuch empfohlene englische Regelvideo des YouTube-Kanals WATCH IT PLAYED zum Erlernen der Regeln am besten eignet.
FIRST MARTIANS leidet an den bekannten PORTAL GAMES Problemen. Die Regeln sind nur schwer zu erlernen, obwohl sie sich im späteren Spielverlauf nicht als kompliziert herausstellen. Es gibt in jedem Fall eine sehr hohe Einstiegshürde gepaart mit einer steilen Lernkurve, die neue Spieler erst einmal überwinden müssen. Selbst das sehr gute Lernvideo ist „kurze“ 50 Minuten lang und jede Minute davon ist wichtig!
Auch wenn es sich später im Spiel nicht mehr so anfühlt (sobald die Regeln verstanden worden sind, versteht sich), ist der Überblick über die Regeln und Optionen nur schwer zu behalten. Jeder Bereich des Spiels strotzt nur so vor Regeln und Handlungsoptionen, die die Spieler im Auge halten müssen, um die Mission erfolgreich zu erfüllen. Aus diesem Grund stellt sich mir FIRST MARTIANS auch eher als Solo-Spiel dar. Durch seine Struktur ist es für eine Person definitiv einfacher, den Überblick über alle Bereiche zu behalten, da es auch teilweise nur einen richtigen Weg zum Erreichen der Ziele gibt. Spieler, die einfach nur Spaß haben wollen und alle Bereiche des Spielfeldes erkunden möchten, werden hier schnell von erfahreneren Spielern abgehängt, da diese sich bereits einen genauen Weg zum Ziel erdacht haben. Ich musste mich selbst immer wieder dabei erwischen, wie ich meiner besseren Hälfte permanent in ihren Spielzug hereinreden wollte, weil ihre Aktionen aus Sicht des Spiels zu unbedacht waren.
FIRST MARTIANS ist kein sonderlich leichtes Spiel, wobei es nicht unfair ist. Spieler können einen Großteil ihrer Aktionen durch eine gute Strategie planen, ohne an einen zu großen Glücksfaktor gebunden zu sein.
Ich fragte mich auch, ob ein Spiel mit einer solchen Fülle an Spielmaterial wirklich mit einer zwingend benötigten App verknüpft werden sollte. Zwar ist die App sehr einfach programmiert, aber dennoch hätte sie auch sehr simpel durch 2 separate Event-Decks ausgetauscht werden können, ohne das Spiel noch komplexer zu machen oder eine zu große Hilfe zu verlieren. Ich persönlich bin kein Fan von Brettspielen mit App, aber auch auf meine Mitspieler wirkte die App ein wenig aufgesetzt. Ein wenig „Eine App muss zwingend sein, weil das im Moment „hip“ ist“, schwingt durchaus mit.
Schade ist, dass das Spiel an einigen wichtigen Punkten zu kurz gedacht hat. Die Farben der speziellen Bereiche und der dazugehörigen Würfel sind zum Beispiel sehr wichtig, um das Spiel erfolgreich spielen zu können. Da sich die Spielkomponenten jedoch kaum unterscheiden (zum Beispiel durch unterschiedliche Symbolik auf den Komponenten), ist das Spiel für Spieler mit Farbenschwäche kaum spielbar, da alle Farben so gewählt worden sind, dass sie sich für Personen mit einer solchen Einschränkung sehr ähneln (besonders die vielen Grün- und Rot-Töne gepaart mit Grau und Braun sind da nicht sehr glücklich gewählt).
Der letzte Kritikpunkt betrifft die eher mäßig geschriebene Geschichte des Spiels. Es ist interessant, dass immer wieder kleine Log-Bücher der Crew in der App aufpoppen. Aber meistens sind diese nichtssagend und wenig spannend geschrieben, sodass ich diese schnell einfach nur übersprungen habe, ohne das Gefühl zu haben, etwas zu verpassen.
Ist FIRST MARTIANS damit ein schlechtes Spiel? Nein. FIRST MARTIANS macht neben seinen Problemen auch einiges richtig. Spieler, die interessante Solo-Spiele mit einem sehr guten Puzzle-Feeling mögen, können hier definitiv ihren Spaß haben. Seine äußere Präsentation ist außerordentlich gut und die Verbindung des Themas mit der Spielmechanik ist ebenfalls auf einem sehr hohen Level gelungen, was besonders Freunde von tiefgründigen und anspruchsvollen Thematiken erfreuen dürfte.
Ganz klar ist aber zu sagen, dass FIRST MARTIANS kein Spiel für Anfänger, sondern für erfahrene Brettspieler ist. Aufgrund seiner sehr hohen Einstiegshürde und der überwältigenden Anzahl an Regeln könnte sich der Spaß hier in Grenzen halten.
Bilder vom Spiel
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