TEST // Talisman – Legendäre Abenteuer
Das erste „Talisman“-Spiel von Bob Harris wurde 1983 im englischen Original veröffentlicht. 2007 erschien es in der 4. überarbeiteten Edition und an Erweiterungen mangelt es dem Fantasy-Brettspiel wahrlich nicht. Pünktlich zur SPIEL 18 ist bei Pegasus ein frischer Ableger erschienen,
der das kultvolle „Talisman“ im Namen trägt, ergänzt um „Legendäre Abenteuer“. Aber wie legendär ist das Spiel tatsächlich und was hat es mit dem beliebten Original noch gemein?
Es sieht schon aus wie Talisman…
Bei der optischen Aufmachung dürften sich Talisman-Veteranen einigermaßen heimisch fühlen. Auch wenn die Heldenaufsteller nicht ganz identisch aussehen wie ihre Vorbilder, so gibt es doch genügend Ähnlichkeiten, um die einzelnen Charaktere wiederzuerkennen. Im Spiel stehen insgesamt 6 archetypische Urformen von Fantasy-Figuren zur Auswahl, jede jeweils in einer männlichen und einer weiblichen Ausführung. Bekannt sein dürften auch die Orte. Die im Spiel genutzten Gebiete Schloss, Tempel, Feenteich, Friedhof, Ruinen und Co. konnten auch schon beim Brettspielklassiker betreten werden. Selbst bei den Gegnern, die beim Betreten der Felder auftauchen können, gibt es so manch ein Wiedersehen. Nicht zu vergessen: die unsägliche Kröte, in die der Spieler im ungünstigen Fall verzaubert werden konnte. Im aktuellen Ableger muss die Kröte in Form von Markern geschluckt werden, sprichwörtlich. Wer die Schachtel öffnet und sich den Inhalt ansieht, wird nicht zuletzt anhand der Talisman-Symbole, die als Punktezähler dienen, das Bemühen erkennen, bei der Gestaltung nah an der Vorlage zu bleiben, ohne dabei einfach nur zu kopieren.
…spielt sich aber komplett anders
Bereits beim Spielbrett fällt auf, dass dieses komplett anders aufgebaut ist. Es besteht aus Waben, die je nach Szenario anders ausgelegt werden. Auch spielerisch fallen die Unterschiede nicht minder deutlich aus. Galt es in den alten Tagen, sich zunächst einen Weg ins Innere des Spielbretts zu erkämpfen, um dann von dort aus eine mächtige Kraft für die Brettherrschaft zu nutzen, gilt es nun, komplett kooperativ, 5 Aufgaben zu erfüllen, die auf großen Tafeln in kleinen Ertappen erläutert werden. Zu den Zielen gehört es, einen Feenfluch zu lösen, einen Drachen zu jagen, gierige Goblins zu stoppen, eine Krötenplage einzudämmen und zu guter Letzt gegen den Fürsten der Finsternis zu bestehen.
Das Spielprinzip bleibt bei allen fünf Abenteuern weitgehend ähnlich. Die Spielfiguren werden über die Verbindungen zwischen den Waben bewegt und am Zielort werden die darauf liegenden Plättchen umgedreht. Unter diesen Plättchen befinden sich nützliche Quest-Objekte, die aufgesammelt, oder aber Gegner, die bekämpft werden können/müssen. Wurden genügend von den gesuchten Trophäen, Personen, Monstern oder sonstigem aufgesammelt, bzw. bekämpft, geht es auf zur nächsten Aufgabe, bei der in der Regel erneut Objekte gesammelt oder Gegner besiegt werden müssen. Zeitlich begrenzt wird jedes Abenteuer durch eine Zeitleiste, auf der bei Würfelpech oder beim Ziehen von Zeitplättchen bei Kämpfen vorgerückt wird. Würfelpech bedeutet, dass mit dem W6, der vor jeder Bewegung gewürfelt werden muss, eine 4 gewürfelt wird. Die Bewegung an sich kostet dann aber keine Zeit. Ist der Zeitmarker am Ende der Leiste angekommen, hat die Abenteuergruppe verloren und muss noch einmal von vorne beginnen.
Gekämpft wird mit Hilfe von Plättchenbeuteln. Jeder Charakter verfügt über ein festgelegtes Arsenal an Plättchen, die je nach gewählter Klasse leicht unterschiedlich zusammengestellt sind. So enthalten die Beutel von magiebegabten Charakteren mehr Zaubersymbole, während die von Kämpfern mehr Schwertsymbole enthalten. Zum Kämpfen werden diese Plättchen zufällig aus dem Beutel gezogen. Wird dabei die Anzahl der auf dem Gegnerplättchen aufgedruckten Schwert- und/oder Zaubersymbole gezogen, ist der Gegner besiegt und kann abgelegt werden. Zur Belohnung gibt es ein frisches, zufällig gezogenes Plättchen aus dem Beutesack, wodurch das eigene Arsenal aufgebessert wird. Allerdings gibt es nicht nur hilfreiches aus dem eigenen Plättchenbeutel zu ziehen. Ein schlechter Zug kann bedeuten, dass auf der Zeitleiste vorgerückt werden muss und das Ende des Spiels näher rückt. Gewonnen ist ein Abenteuer, wenn alle Teilabschnitte gelöst sind, bevor das Ende der Zeitleiste erreicht wurde. Für ein wenig Überraschung ist bei den Abenteuern gesorgt, da jeweils nur der aktuelle Teilabschnitt der Aufgabe gelesen werden darf und erst nach Abschluss der Teilaufgabe bekannt wird, wie es weiter geht.
Pegasus selbst ordnet das Spiel als Familienspiel ein, was auch eindeutig passend ist. Zur Crux wird allerdings, dass das Spiel mit „Talisman – Legendäre Abenteuer“ betitelt wurde und somit schnell für eine falsche Erwartungshaltung sorgt. Mit einer eindeutigeren Titelgebung hätte Pegasus Spontankäufern und weniger informierten Spielefans einen klaren Hinweis geben können, dass dieses „Talisman“ sich deutlich von anderen Spielen der Reihe unterscheidet. Ähnlich wie es bei „My Little Scythe“ der Fall war, dem Ableger für jüngere Interessierte von „Scythe“. „Talisman Junior“ wäre als Titel sicherlich eine eindeutigere Bezeichnung für dieses Spiels gewesen. Ohne Zweifel kann ein 9-Jähriger auch Spaß am originalen Talisman haben, ohne die taktischen Möglichkeiten unbedingt zu verstehen. Doch der Spielspaß für ältere Semester ist auf Grund der limitierten Handlungsmöglichkeiten bei den „Legendären Abenteuern“ eher begrenzt.
Unter dem Gesichtspunkt des gemeinsamen Spiels in der Familie mit jüngeren Teilnehmern erfüllt „Talisman“ allerdings problemlos die heldenhafte Aufgabe, für ein spannendes und unterhaltsames Spielerlebnis zu sorgen. Die kurzen, in kleine Abschnitte unterteilten Abenteuer sind wohl dosiert und bieten vor allem durch die kurzfristigen Erfolgserlebnisse reichlich Motivation. Die Helden gewinnen recht schnell durch neue Plättchen an Macht, was den Drang zu neuen Heldentaten bei den jüngeren Mitspielern anfeuern dürfte. Durch die überschaubaren Handlungsmöglichkeiten und die fixe Abhandlung der Kämpfe entsteht zudem nur wenig Leerlauf für den einzelnen Spieler, was vor allem bei ungeduldigen Kindern auf sehr viel Gegenliebe stoßen dürfte.
Letzten Endes lässt sich die Frage, für wen das Spiel geeignet ist, ganz leicht beantworten: Familien mit Kindern bis zu den frühen Teenagerjahren dürften sehr viel Freude an dem Spiel haben und es öfter auf den Spieltisch holen. Insofern darf der Einstufung von Pegasus in die Kategorie Familienspiel vollauf vertraut werden. Nicht vertrauen sollte man allerdings einem evtl. Bauchgefühl, wenn man sich den Spieltitel „Talisman – Legendäre Abenteuer“ ansieht.
Tags: Abenteuer, 1-6 Spieler, Fantasy, Kooperativ