TEST // The River
Es ist still auf dem Fluss, der uns immer weiter landeinwärts leitet. Links und rechts unberührte Natur, soweit das Auge reicht. Hier lohnt es sich, anzulegen und das Land urbar zu machen. Das Gelände erkunden, Rohstoffe ausmachen und Lager errichten heißt es nun.
All das, damit am Ende eure Siedlung entsteht, voller Prachtbauten und satten Feldern. Genau das ist die Rahmenhandlung von The River, einem der neuesten Streiche aus dem Hause Days of Wonder. Das als familientauglich beworbene Arbeiter-Einsetz-Spiel wurde gemeinsam von Ismaël Perrin und Sébastien Pauchon (letzterer u.a. Ttime Stories, Splendor) entworfen und ist seit Kurzem auch im Handel zu erwerben. Wir haben ein Rezensionsexemplar auf Herz und Nieren geprüft und wollen euch das Ergebnis in den folgenden Abschnitten vorstellen. Seit gespannt, was es hier zu entdecken gibt.
So funktioniert das Spiel
Vor Antritt der Expedition erhält jeder Spieler ein passendes Flusstableau, welches je nach Spielerzahl (2 oder 3-4) auf die entsprechende Seite gedreht wird. Zusätzlich gibt es ein Schiffsplättchen, auf das anfangs 4 von 5 Kundschaftern gestellt werden. Der fünfte wird auf dem mit einer Spielfigur markierten Bonusplättchen-Feld geparkt und steht den Entdeckern erst im Laufe des Spiels zur Verfügung. In der Tischmitte wird der Spielplan ausgelegt, welcher die sieben Inseln zeigt, auf denen unsere Kundschafter später Aktionen durchführen werden. Die Gebäudeplättchen werden gemischt und alle freien Felder auf der zugehörigen Insel mit Gebäuden bestückt. Der Rest verbleibt als Nachziehstapel nebenan. Die Rohstoffe werden ebenfalls auf ihre jeweiligen Felder gelegt, wobei ihre Anzahl mit der Spielerzahl skaliert. Die Bonusplättchen, die am Ende der Partie Siegpunkte bringen, werden in zwei Stapel aufgeteilt – auf einen kommen alle mit dem Wert „0“ und auf den anderen die übrigen Zahlenwerte. Abschließend müssen noch die Geländeplättchen gemischt werden und immer eins mehr aufgedeckt werden als Spieler teilnehmen.
Damit ist der Spielaufbau abgeschlossen und ein Startspieler wird bestimmt. Vor der ersten Runde erhält jeder noch ein erstes Geländeplättchen aus der Auslage, wobei der Spieler rechts vom Startspieler beginnt und es dann im Uhrzeigersinn weitergeht. Dieses Geländeplättchen wird dann in der oberen Ecke links abgelegt. Das übrige Plättchen wird aus dem Spiel genommen, neue aufgedeckt und dann stechen alle Siedler in See. Zu Beginn jedes Zuges hat der aktive Spieler die Möglichkeit, drei beliebige Rohstoffe in die Joker-Ressource Nahrung umzuwandeln. Danach entsendet er einen seiner Kundschafter und platziert diesen auf einer der sieben Inseln und führt die jeweilige Aktion durch. Dabei ist zu beachten, dass jede Insel nur von einer bestimmten Zahl an Kundschaftern pro Runde besucht werden kann. Hier gilt es abzuwägen, wann man wo seine Figur abstellt, da einige Inseln auch nur von einem einzigen Kundschafter erkundet werden können und dementsprechend nicht mehr zur Verfügung stehen in dieser Runde. Außerdem darf man keine Aktion blockieren, die man nicht ausführen kann. Bei den Aktionen stehen folgende Möglichkeiten zur Wahl: ein Geländeplättchen nehmen und auf dem Flusstableau ablegen; Rohstoffe nach Anzahl der abgebildeten Symbole auf dem eigenen Flusstableau produzieren; ein Gebäude reservieren, welches man später vergünstigt bauen kann; ein Gebäude aus der Auslage oder der eigenen Hand bauen, wenn man die entsprechenden Rohstoffe hat; Startspieler werden und ein Geländeplättchen vertauschen.
Durch den Bau von Gebäuden erhält man die auf der Karte angegebene Zahl an Siegpunkten und zusätzlich ein Bonusplättchen. Hat man zwei Bonusplättchen gesammelt, schaltet man den fünften Kundschafter frei, der einem ab sofort als Arbeiter zur Verfügung steht. Schafft es ein Spieler alle Bonusplättchen-Felder auf seinem Flusstableau zu verdecken, endet das Spiel sofort und die Wertung erfolgt. Dazu aber später mehr. Im Falle der Geländeplättchen erhält der Spieler neue Rohstoffquellen und Lagerplätze für diese. Letzteres sollte man nicht unterschätzen, da es die Menge an sammelbaren Rohstoffen begrenzt. Durch das Legen der Geländeplättchen wird irgendwann auch ein Teil der Kundschafter sesshaft und gründet eine Niederlassung, wodurch er ab da nicht mehr genutzt werden kann. Timing ist also gefragt. Außerdem stehen manche Geländeplättchen für Wiesen, welche entweder während des Spiels Vorteile oder am Ende Siegpunkte bringen. Der spannendste Aspekt der Geländeplättchen hat aber mit der Siegpunktvergabe zu tun. Auf jedem ist eine Landschaft abgebildet; schafft man es, in einer Spalte von oben betrachtet zwei oder drei gleiche Landschaften zu sammeln, erhält man zusätzliche Siegpunkte. Diese können bei der Abrechnung zum Schluss das sprichwörtliche Zünglein auf der Waage sein. Genau wegen dieses Puzzle-Elements ist es auch sinnvoll, Gebrauch von der Aktion Geländeplättchen tauschen zu machen. Hat übrigens ein Spieler zwölf Geländeplättchen bei sich auf dem Flusstableau abgelegt, endet das Spiel genauso wie oben beschrieben. Alle Siegpunkte werden zusammengezählt und der erfolgreichste Siedler gewinnt The River.
Lohnt sich also die Reise zu The River? Schon vor Antritt der Reise fällt einem die wunderschön gestaltete Schachtel ins Auge, die mit satten Farben und einer stimmungsvollen Illustration einlädt. Hier merkt man sofort, dass man ein Spiel von Days of Wonder in den Händen hält. Dieser hervorragende Eindruck kann vom Inneren der Box jedoch nicht ganz aufrecht gehalten werden, wobei das Meckern auf hohem Niveau ist. Zwar ist das Inlay gut strukturiert, hält das Spielmaterial beim aufrechten Transport oder Lagern aber nicht immer zusammen. Das Spielmaterial selbst ist qualitativ hochwertig. Die Rohstoffe sind aus Holz geformt und in der passenden Farbe bemalt. Alle Tableaus haben eine sehr gute Materialstärke, sodass auch bei häufigem Spielen nichts kaputt gehen sollte. Für die Gebäudekarten gilt das im Großen und Ganzen auch, obwohl hier noch Luft nach oben wäre. Ähnliches gilt für den Spielplan selbst. Dieser ist zwar recht hübsch gestaltet, aber man merkt schon, dass der Funktionalität mehr Gewicht beigemessen wurde. Dafür ist die Symbolik gut verständlich und in den meisten Fällen auch prominent abgedruckt, sodass man spätestens nach der ersten Partie kaum noch etwas nachschlagen muss. Beim Schiffsplättchen hat man optisch Potenzial verschenkt. In 3D hätte das einfach mehr hergemacht. The River ist nichtsdestotrotz eine Augenweide unter den Familienspielen.
Familie ist ein gutes Stichwort, denn sollte die Spaß an Catan haben, sich aber nicht an Stone Age oder Kennerspiele im Workerplacement-Genre heranwagen wollen, ist das Spiel von Ismaël Perrin und Sébastien Pauchon genau das Richtige. Der Kernmechanismus ist sehr schnell erlernt, die Zugmöglichkeiten sind überschaubar und auch die Wertung ist nicht allzu komplex. Dabei ist The River keineswegs fade, sondern bietet aufgrund der Gebäude, des Geländeplättchen-Puzzles und dem unabänderlichen Verlust an Arbeitern Aspekte, die für hinreichend Tiefgang sorgen. Man muss seine Mitspieler also gut im Auge behalten, im Voraus planen und seine Ressourcen zu managen wissen, wenn man nicht Schiffbruch erleiden will. Dabei sind die einzelnen Faktoren, welche in die Wertung einfließen, gut balanciert, sodass es nicht die eine Taktik gibt, mit der man Erfolg hat.
Vielspieler können The River somit als door opener im Kreise der Liebsten verwenden – für mehr reicht es aber nicht. Man sollte sich vor dem Kauf schon bewusst sein, dass die Variabilität des Spiels für diese Zielgruppe allein zu gering ist und die strategischen Möglichkeiten eher begrenzt sind. Als Familienspiel funktionierte es in unseren Runde aber prächtig und hat auch den Spielmuffeln Spaß gemacht.
Bilder vom Spiel
Tags: 2-4 Spieler, Erkunden, Auslegen, Worker Placement