Test | Tabannusi: Builders of Ur
Die sagenhafte Stadt Ur, Hafenstadt und Wiege der Zivilisation in der ausgehenden Bronzezeit. Hier gestalten Meisterarchitekten die Geschichte der über 4000 Jahre alten Stadt. Zu ihren wichtigsten Bauwerken gehört die Zikkurat des Mondgottes Nanna, ein gestufter Tempelturm, der von den Sumerern unter der Herrschaft von König Ur-Nammu erbaut wurde. Die archäologischen Stätten von Ur zählen heute zum UNESCO-Welterbe.
In Tabannusi: Builders of Ur übernehmen die Spielenden die Rolle dieser Architekten und versuchen, die größten Baumeister Mesopotamiens zu werden. Ob dieser Ausflug ins Altertum Spaß macht oder doch trocken wie ein Spaziergang durch die Wüste ist, erfahrt ihr in unserem Test.
Das Spiel wurde uns kostenlos zur Verfügung gestellt. Auf die Bewertung hat dies keinen Einfluss
Gut geplant ist halb gewonnen
In Tabannusi werden die Spielenden zu Architekten, die sich in den fünf Stadtteilen von Ur verewigen wollen. Dabei liegt es in ihrer Verantwortung, Ressourcen zu verwalten, Häuser und Gärten in den Wohnvierteln zu bauen, den Hafen zu kontrollieren und den Göttern Schreine auf den Zikkurats zu errichten. Alles, um sich die Gunst des Königs zu sichern und der größte Baumeister von Ur zu werden.
Der Spielplan von Tabannusi ist in fünf Bezirke unterteilt, die die Spielenden in ihrem Zug aktivieren können. Aus dem aktiven Stadtteil muss zu Beginn des Zugs ein lokaler Ressourcenwürfel genommen werden, der per Würfelwert festlegt, in welchem Bezirk die Person in der darauffolgenden Runde agieren darf. Vorausplanung ist also nötig. In jedem Stadtteil gibt es danach drei bis vier verschiedene Aktionsmöglichkeiten. In den Wohnbezirken können Wasser- oder Gartenplättchen platziert werden oder Gebäude errichtet werden, wofür aber wiederum zuvor platzierte Projekt-Plättchen nötig sind. Im Hafenviertel haben die Spielenden Zugang zu Schiffen, die permanente Boni einbringen, und Kistenplättchen, die dauerhafte Ressourcen darstellen. Im Priesterviertel können die Zikkurats ausgebaut werden, womit Siegpunkt-Multiplikatoren freigeschaltet werden können.
Jede Person hat genau zwei Arbeiter in Ur: Der Architekt zeigt mit seiner Position an, zu welchem Stadtteil man sich in der nächsten Runde bewegen will, während der Assistent den Ort markiert, an dem man sich gerade aufhält und wo agiert werden darf. Beide Figuren bleiben im gesamten Spiel auf dem Spielbrett und wandern von Stadtteil zu Stadtteil. Außerdem besitzen alle ein eigenes Spieltableau, das Platz für Kistenplättchen und Gebäude bietet sowie einen Ressourcenvorrat, in dem die lokalen Ressourcen, aber auch die Joker-Ressource Gold sowie Wasser- und Gartenplättchen gesammelt werden. Außerdem lagern dort alle ihre Besitzmarker, die im Verlauf des Spiels genutzt werden, um zu zeigen, welche Projekt-, Garten- oder Schiffsplättchen wem gehören.
Gebäude gibt es in Tabannusi in den drei Farben Gelb, Weiß und Braun, die zwar in allen Wohnbezirken gebaut werden können, aber unterschiedliche lokale Ressourcen benötigen. Passend zu den Gebäudefarben gibt es drei Meisterpfade, auf denen die Spielenden im Laufe des Spiels aufsteigen können, um Boni zu erlangen und ihre Siegpunkt-Multiplikatoren für die Bezirkswertungen zu erhöhen. Diese Wertungen finden immer dann statt, wenn die lokalen Ressourcen eines Stadtteils aufgebraucht werden und belohnen die Architekten mit den meisten Punkten, die die meisten und/oder größten Gebäude im jeweiligen Bezirk errichtet haben.
Tabannusi ist eines dieser Spiele, das so viel besser sein könnte, wenn es optisch ansprechender wäre. Obwohl ich normalerweise nicht den größten Wert darauflege, dass ein Spiel fulminant illustriert ist, fällt dieses Spiel tatsächlich negativ auf. Natürlich steht der Spielspaß im Zentrum, das Auge isst aber auch mit.
Das mit Abstand unschönste Spielmaterial sind die Plastik-Gebäude, die auf dem Spielfeld platziert werden. Diese sehen sehr klobig aus und sind zudem noch zu groß und etwas eigenartig geformt, um wirklich auf die dafür vorgesehenen Felder zu passen. Außerdem stören mich deren Farben ebenfalls. Mit dem Weiß kann ich noch leben, aber das Gelb und vor allem das Braun sehen einfach hässlich aus, wenn man es auf dem Spielfeld aufbaut. Dabei hätte man die Gebäude auch prima in „Steinfarben“, wie z.B. einem Granit-Grau, Ziegel-Rot oder Sandstein-farbig, halten können. Das hätte thematisch wahrscheinlich auch noch mehr Sinn ergeben. Optisch wäre es allemal hübscher. Das restliche Spielmaterial ist zwar nicht so schlimm, fühlt sich insgesamt aber auch nicht wirklich wertig an. Alles wirkt etwas flimsig oder – positiv ausgedrückt – zweckdienlich. Der gesamte Look wirkt alt und angestaubt, was vielleicht zum Thema passt, aber einfach nicht attraktiv ist. Das Spiel sieht aus wie aus dem letzten Jahrtausend.
Sieht man über den optischen Aspekt von Tabannusi hinweg, wartet hier allerdings ein vielschichtiges und ausgeklügeltes Eurogame. Besonders spannend ist, dass beim Planen der Gebäude eine Menge indirekte Interaktion am Tisch aufkommt. Gebäudepläne der anderen Mitspielenden können nämlich zusammen mit den eigenen verbaut werden. Als Kompensation dafür gibt es dann ein paar Punkte auf den Meisterpfaden in der jeweiligen Farbe gutgeschrieben. Und diese Pfade sollten auf keinen Fall vernachlässigt werden, denn wer hier nicht aufsteigt, wird in den Wertungszügen keine Punkte für seine Gebäude bekommen. Mit Wasser- und Gartenplättchen lässt sich zudem die Form der Bezirke nachhaltig verändern. Und da wären ja auch noch die Zikkurat-Felder, die mit saftigen Punkte-Multiplikatoren warten, wenn man seine Gebäude darauf platziert. Es gibt eine Menge zu bedenken.
Beinah alle Elemente des Spiels sind außerdem variabel, also von Spiel zu Spiel verschieden. Das fängt an bei den Aktionsfeldern und geht weiter bei den ausgelegten Dekreten für Punkte und den möglichen Multiplikatoren im Zikkurat-Bezirk. Außerdem starten alle mit einer zufälligen Aufgabe, in welchem Bezirk wie viele Gebäude gebaut werden sollen. Kein Spiel wird also genau so laufen wie das vergangene und bis man alles gesehen hat, dürften auch einige (oder gar einige zig) Partien vergehen. Und in diesen Partien werden sich wahrscheinlich ebenso viele mögliche Spielstrategien ergeben - eine offensichtliche optimale Route ist auch nach mehreren Partien nicht in Sicht.
Allerdings ist die Hürde, um überhaupt durch die ersten Spieldurchläufe zu kommen, relativ hoch. Das Regelbuch erfüllt dabei allerdings genau seinen Zweck, ist nicht seltsam aufgebaut oder in mehrere Hefte unterteilt. Trotzdem hatte ich einige Probleme, die Regeln für die erste Runde mit Mitspielenden zu verinnerlichen.
Im Endeffekt tut es mir fast leid um Tabannusi. Es ist ein sehr unterhaltsames, strategisch und taktisch tiefes Eurogame, das mit einer gehörigen Portion Vorausplanung und Interaktion daherkommt. Allerdings hält die nicht zeitgemäße und altbackene Optik das Spiel davon ab, die Spielenden wirklich in seinen Bann zu ziehen. Dadurch verpasst Tabannusi die höheren Wertungsebenen und wohl auch einen Platz in vielen Spielregalen. So werden wohl viele Exemplare in den Regalen der Spieleverkäufer verstauben.
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Bilder des Spielmaterials
Tags: Legespiel, Antike, 1-4 Spieler, Städtebau, Eurogame