Test | Abgrundtief - Fazit + Wertung + Bilder vom Spiel
Die Rolle des Kultisten habe ich absichtlich gesondert am Ende erwähnt, denn sie zeigt am besten was „Abgrundtief“ für ein Spiel ist. Es ist kein berechenbares, ausbalanciertes Euro Game, bei dem es lediglich auf taktisches Geschick ankommt, sondern ein Spiel, das den Fokus ganz klar auf das Erleben einer Geschichte legt. Der Kultist hat es viel schwerer als die Hybriden, aber das tut dem Spielgefühl keinen Abbruch, denn es ist eine Art Rollenspiel und die Rolle des Kultisten hat einen besonderen Reiz.
Alles ist darauf ausgelegt eine düstere und fast schon beklemmende Atmosphäre einer lebensbedrohlichen Situation auf offener See zu simulieren. Alles geht kaputt, das Schiff wird von grässlichen Kreaturen angegriffen und zu allem Überfluss ist nicht ganz klar wem hier eigentlich noch getraut werden kann. Eine Szene, in der alle krampfhaft ihre Waffen umklammern, aber dennoch zusammenarbeiten müssen. Was den Transport des Themas angeht leistet „Abgrundtief“ hervorragende Arbeit.
Die vielen Zufälligkeiten durch das Angreifen mit Würfeln, ziehen verdeckter Karten, die gewollte Unausgeglichenheit bei den Rollenkarten, aber auch die unglaublich gute Atmosphäre drücken dem Spiel ganz klar den „Ich bin ein Erlebnis!“-Stempel auf. Es ist spannend und immersiv, dafür aber weniger kalkulierbar. Alle sollten wissen auf was sie sich hier einlassen.
In der ersten Partie fühlte ich mich ein wenig von Text erschlagen. Zwar gibt es viele gute Flavour-Texte, aber auch viel Regeltext auf den Übersichtskarten. Da hätte allerdings einiges in Symbolsprache umgewandelt werden können. So gestaltet sich der Einstieg recht holprig. Zumal „Abgrundtief“ auch nicht wenig Regelwerk aufweist. Gestolpert bin ich auch an anderer Stelle: Den größten Teil der Spielzeit frisst das Verwalten der Mythoskarten. Die drei Aktionspunkte, die einem gegeben sind, lösen sich schnell in Rauch auf. Danach kommt quasi der Hauptteil des Spiels. Zwar tragen die Krisen viel zum Spielgefühl bei, das Durchzählen der Proben gestaltet sich aber etwas langwierig. Bei mittlerer Besetzung von vier Personen kommen bei einer riskanten Krise mal gerne 16 Karten zusammen, die dann alle zusammengerechnet werden müssen. Das nimmt teilweise den Spielfluss.
Das positive daran ist die Diskussion danach. Die Mythoskarten können sabotiert werden. Und sich danach gegenseitig zu beschuldigen es gewesen zu sein macht unglaublich viel Spaß. Gerade im fortgeschrittenen Spiel, wenn Schlüsse aus dem Verhalten mehrerer Proben gezogen werden können. Da kommen Hybriden manchmal ganz schön ins Schwitzen, wenn sie nicht subtil genug sabotiert haben.
Neben dem Sabotieren von Proben gibt es noch viele andere Dinge, um das Geschehen in eine gewünschte Richtung zu lenken. Dazu zählen unter anderem Gegenstände, Zaubersprüche aus einem okkulten Buch, die Raumaktionen oder den Rang des Kapitäns, um über die Etappenziele entschieden zu können. Wie sich die Spielerinnen und Spieler mit all diesen Dingen verhalten muss von allen anderen interpretiert werden. Wer gut Lügen kann ist hier im Vorteil. Aber die Nervosität die ich spüre, wenn ich versuche einen Hinterhalt zu planen, oder zu vertuschen, dass ich absichtlich das schlechtere Etappenziel gewählt habe, ist die Art von Emotion, die ich aus einem solchen Spiel ziehen möchte.
Am ehesten würde ich „Abgrundtief“ mit „Nemesis“ vergleichen. Was das Setting und die damit einhergehende Stimmung angeht finde ich beide Spiele gleichauf. Aber wenn ich sie vergleiche, dann ist „Nemesis“ irgendwie dynamischer, flotter und hält sich nicht so lange an einer Stelle auf. Das Spielgeschehen wechselt rasant und kreiert ständig neue spannende Situationen. „Abgrundtief“ wirkt hingegen oft behäbig und entschleunigt.
Wer auf atmosphärische Spiele steht, die einem die Spielsituation so nahebringen, als würde man Mutter Hydras kalten und feuchten Atem im Nacken spüren, kann hier beherzt zuschlagen. Auch wenn ich mich an der Zähigkeit etwas störe, wird dieses Spiel noch viele Male auf den Tisch kommen. Eine Empfehlung an alle, die das Horror-Setting mögen.
Bilder vom Spiel
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